Immersion III – SPECIO

Immersion III – SPECIO

Michelle Bont & Milena Clalüna
6.–27. August 2021

Die dritte Ausstellung der Reihe IMMERSION wartet mit einem geheimnisvollen Spektakel auf:Michelle Bont & Milena Clalüna unterteilen den ESPACE NINA KEEL mit einem deckenhohen, doppelseitigen Spiegel der Länge nach und bilden zwei verschiedenfarbige Spiegelräume aus. Die Bestandteile ihrer Rauminstallation sind – nebst Spiegel und Farben – natürliches und künstliches Licht, Schatten, der angrenzende Strassenraum und die Zufälle, die er bringt. SPECIO verbindet räumliche Eingrenzung und Erweiterung und erzeugt an der Spiegelkante die Illusion, gleichzeitig in zwei Räumen zu sein. 

Decke und Wände des vorderen, zur Strasse gerichteten Spiegelsaals leuchten in Rosa. Die beiden Architektinnen haben einen Raum geschaffen, der die Dynamik des engen Strassenraums aufnimmt und potenziert: Ein durchlässiger Vorhang aus Plexiglas-Platten funkelt in den grossflächigen Schaufenstern und löst vielfarbige Reflexionen auf der Spiegelfläche aus. Das wandernde Tageslicht und leichter Wind bei offener Türe bringen ein immer anderes Farbenspiel. 

Im hinteren, gegen den Hof gerichteten Bereich haben Bont & Clalüna das Gegenteil konzipiert: In dunklem Blau gehalten, dringen aus einem diagonalen Spalt der Vorsatzschale künstliche Lichtstahlen. An den Rändern der Ritze bricht das Licht und streut sich kegelförmig über Wand und Spiegel. Der hintere Spiegelraum wirkt statisch und mystisch, während sich der vordere tanzend, luftig und lebendig zeigt. Die Installation von Milena Clalüna & Michelle Bont ist auf Gegensätze angelegt – in der Farbe, im Licht, in der räumlichen Begrenzung und visuellen Erweiterung durch die Spiegelflächen.

Die immense Spiegelfläche von SPECIO (3 x 5.5 m) verleitet dazu, Spiegeln, ihrer Produktion und Geschichte auf den Grund zu gehen. Denn so viel sie auf ihrer Oberfläche offenbaren, so wenig geben sie ihr Innenleben preis: Die anziehenden Objekte mit der glatten Oberfläche zeigen keinerlei Herstellungsspuren. Die häufigste Produktionsart von Spiegeln ist das sogenannte Silberverspiegeln: Eine Glasplatte wird mit Zinnsalz behandelt und im Anschluss eine Versilberungslösung aufgetragen. Nachdem das verspiegelte Glas getrocknet hat, wird zum Schutz ein Spiegeldecklack aufgetragen. Clalüna & Bont machen in SPECIO von 3mm-starken Aluminiumplatten Gebrauch, die mit einer Spiegelfolie bezogen wurden.

Spiegel wurden im 17. Jahrhundert zur eigenständigen Architektur: An europäischen Höfen entstanden Spiegelsäle wie die Galerie des Glaces in Versailles, die weit über ihre bisherige Verwendung von Spiegeln als gerahmten Wandobjekten hinausgingen. Auch Wegbereiter moderner Architektur wie Adolf Loos setzten Wandspiegel ein, um Räume illusionistisch zu erweitern. In seiner berühmten American Bar (1906/1907) in Wien lässt einen ein Spiegelband wie innerhalb eines Kaleidoskops fühlen. Ebenso waren Spiegel essentiell in den postmodernen Lehrstücken, Möbeln und Intérieurs von Trix und Robert Haussmann. Und diesen Juli hat der Künstler Doug Aitken eine zehneckige, spiegelnde Installation mit Pflanzen geschaffen, die als Location für eine Modeschau von Saint Laurent diente. Green Lens, so ihr Titel, wurde auf einem ehemaligen Militärstützpunkt der venezianischen Insel Certosa realisiert. Wandgrosse Spiegel schaffen seit jeher Bühnen zur Inszenierung; Erlebnisräume, die Irritation und Zerstreuung hervorrufen.  

SPECIO bringt durch den doppelten Spiegel zwei verschiedene Welten in einem Raum hervor: Tag und Nacht, Dynamik und Ruhe. Für Bont & Clalüna steht SPECIO auch für jene Momente, in denen wir körperlich in einem konkreten physischen Raum verweilen, gedanklich aber ganz woanders schweben. Ihre Installation verbindet solche Widersprüche und wirft den Blick zurück auf die Betrachter*innen, verwickelt sie um ein Mehrfaches.

Michelle Bont & Milena Clalüna schlossen 2017 das Architekturstudium an der ZHAW in Winterthur ab. Sie befinden sich gegenwärtig in der Gründung ihres eigenen Büros Clalüna Bont Architektur mit Sitz in St.Gallen. – www.claluenabont.ch

 

Veranstaltungen:

– Spaziergang mit Michelle Bont & Milena Clalüna durchs Linsebühl
Die Architektinnen von SPECIO zeigen unbekannte Ecken des Quartiers und gehen auf besondere bauliche Details ein.
Samstag, 21. August, 11 Uhr (Treffpunkt: ESPACE NINA KEEL)
Um Anmeldung wird gebeten.

– Am Samstag, 21. August, ist der ESPACE NINA KEEL von 11-14 Uhr geöffnet.

– SPECIO-Lesung mit Anna-Thea Jaeger, Maya Olah und Samara Leite Walt
Die Autorinnen nähern sich dem Spiegelraum und seinen Reflexionen literarisch an.
Freitag, 27. August, 19.30 Uhr (Lesung dauert ca. 40 min)
Um Anmeldung wird gebeten.


Vernissage: Freitag, 6. August 2021, 18-20 Uhr.
Die Ausstellung dauert bis zum 27. August 2021.

Öffnungszeiten:
DO, 17-19 Uhr
FR, 15-18 Uhr
Und nach Vereinbarung.